Wenn ich von meinen Schweige-Retreat Erfahrungen erzähle, erlebe ich oft Staunen und furchterregte Augen. Während ich dies gerade schreibe, huscht mir ein Schmunzeln über das Gesicht.
In der heutigen Zeit von Dauerüberreizung unserer Sinnesorgane, ist es schon klar, dass ein Zustand der Isolation und damit meine ich nicht einen Lockdown unter Quarantäne, sondern vielmehr Ruhe für unsere Augen, Stille für die Ohren, Achtsamkeit für das Schmecken und Fühlen, Feinheit für den Riechvorgang und Zeit für das Gleichgewicht, erstmal ungewöhnlich erscheint. Aber sind wir mal ehrlich, ist es das wirklich? Ist das nicht eigentlich der Ursprung unseres seins, das wir vor lauter „to do´s“ gar nicht mehr kennen?!
Aber nun zurück zu der Erfahrung beim Schweigen und Meditieren im Vipassana Zentrum von S.N. Guenca, die es übrigens weltweit auf Spendenbasis gibt.
Kurz und knapp würde ich es mit einem Marathon vergleichen, denn wer schon mal 11 Stunden am Tag meditiert hat und das 10 Tage lang, wird schnell feststellen, dass es mit großen und kleinen Herrausforderungen verbunden ist. Diszplin, Hingabe und Ausdauer werden Verbündete.
Der äußere Lärm wird weniger und wir werden von einer Stimme mit indischen Akzent auf Englisch, aus dem Lautsprecher angeleitet. Es ist die von, dem leider schon verstorbenen S.N.Guenca persönlich. Ich gebe zu, es war schon erst mal befremdlich, jedoch hatte mich meine Mentorin gut vorbereitet und meine Meditationspraxis war schon gut gefestigt, so dass ich mich ganz darauf einlassen konnte.
Unglaublich, wie laut es erst mal war, in meinem Inneren, dessen war ich mir gar nicht so sehr bewusst. Wenn der Lärm von Außen minimiert wird, erst dann ist Raum nach Innen zu lauschen und auch mit den unteren Schichten unseres Daseins, auch genannt Unterbewusstsein, in Kontakt treten zu können. Meine Gedanken überschlugen sich die ersten 3 Tage. Die agbefahrnsten Szenarien erzählte mir mein Verstand, absolut fiktiv. Und da kommen wir schon zum wesentlichen der Achtsamkeit, alle Gedanken über die Zukunft und die Vergangenheit sind fiktiv, denn reell ist nur das, was im Hier und Jetzt geschieht und das verpassen wir eigentlich die meiste Zeit, da wir ständig woanders sein wollen, wo wir gerade sind. Eine „tricky“ Sache das Menschen-Da-Sein in unserer Gesesllschaft, wie ich finde.
In der Buddhistischen Lehre, die ich sehr inspirierend finde, gibt es eine hilfreiche Metapher für diese Chaos in einem Selbst. Es ist gleichzustellen mit dem aufgewühlten Wasser eines Sees, Flusses oder Meeres. Stürme ziehen über das Wasser, erzeugen peitschende Wellen, wühlen den Grund auf, so dass das Wasser trüb erscheint. Wenn sich die Stürme legen, kehrt Ruhe ein, das Wasser wird klar und beständig. Und so ist es auch mit unserem Geist.
Der besagte Ort ermöglicht sich in Bescheidenheit und Demut zu üben. Darauf hatte ich mich tatsächlich gefreut. Ich teilte mir ein Zimmer, ca. 10 Quadratmeter, mit 3 weiteren Frauen. Es gab ein Gemeinschaftswaschraum der wirklich nicht den europäischen Gewohnheiten entsprach, ein nicht so reines Loch im Boden war das Klo und von den Zeitgenossinnen aus aller Welt, kam nur selten jemand darauf, das Bad zu putzen. Ich ertruge es nicht lange und nahm es als meine Aufgabe entgegen.
Eine Erkenntnis, die ich in allen meiner Schweigeretreats machte ist, dass ich im Schlaf spreche, ich verarbeite sehr aktiv und zum Leitwesen der anderen. Bisher konnte ich mein Unterbewusstsein noch nicht dementsprechend beinflussen. Kann mir aber vorstellen, dass dies mit genug Übung und vielleicht längeren Aufenthalten Möglich ist.
Ich war mitten im Dschungel Sri Lanka´s, nähe Candy. Wir waren umgeben von wilder Natur, Affen, großen Insekten. Die Nahrungsaufnahme fand in eingegitterten Räumlichkeiten statt, jedoch gab es keine Fenster. Man saß wie in einer Schule, alle in einer Reihe mit der selben Blickrichtung an kleinen Bänken, um sich Möglichst nicht dem Blickkontakt auszusetzen. Erst mal fand ich das merkwürdig, gewöhnte mich jedoch schnell daran und lernte es zu schätzen. Ein ulkiges Szenario für mich war, das die lustigen, kleine Äffchen neugierig an dem Gitter hingen und zu uns hinein luhrten und um uns beim Essen zusahen. Ich stellte mir vor wie es für Tiere sein muss, unfreiwillig eingesperrt zu sein, denn die Situation war ja irgendwie visaversa.
Ich tauchte tief in meine innere Welt, das stürmische Wasser wurde ruhiger. Es gab endlich Platz für neue Erfahrungen auf einer ganz anderen Ebene. Erkenntnisse über mich selbst waren und sind immer noch unfassbar wertvolle Erlebnisse. Sie motivieren mich immer wieder auf´s Neue auf diesen Weg weiter zu gehen. Ich lerne mich seit dem immer besser zu verstehen, wurde Verbündete meiner Selbst. Es war endlich Raum starke Gefühle wie Angst, Wut, Trauer, Ärger anzuerkennen und nicht abzulehnen oder vor ihnen zu flüchten. Ich erkannte, das Angst in sehr realistisch wirkenden Bildern vor meinem inneren Auge auftaucht ohne das sie Wahr sind. Ich fand heraus wie sich Trauer in meinem Körper anfühlt, die Haltung beschwert und beeinflusst. Wut und Ärger zeigten sich mit starken Anspannungen im ganzen Körper, wie Kiefergelenk und Brustkorb. Ich wurde zur Forscherin und die Lupe, d.h. die Achtsamkeit, mein bester Freund. Den gegenwärtigen Moment beobachten ohne zu verurteilen ist seither meine Praxis, Tag ein, Tag aus. An manchen Tagen fällt es mir leichter, an anderen bemerke ich einschleichende Blindheit, dann weiß ich, es ist Zeit für mehr Stille, Rückzug und Achtsamkeit.
Am letzten Tag, wurde das Schweigen aufgehoben, um sich langsam wieder an die Gemeinschaft zu gewöhnen. Ich kann nur sagen, ich wäre am liebsten länger geblieben in dieser heilsamen Stille. Die ersten Worte mit meinen Wegbegleitern waren purer Stress für mich. Das Nervensystem war komplett überfordert. Mein Körper zeigte mir das, in dem ich einen Schweißausbruch bekam und einen Migräneanfall. Das spüren meiner Stimme im Brustkorb erzeugte Schweiß. Verrückt oder? Immer wieder kommen mich diese Erlebnisse besuchen, es ist wie eine zarte Stimme die mich an dieses Gefühl der absoluten Glückseligkeit erinnert. Ich bin ganz, ich bin heil, nur werden wir das in unserer Gesellschaft leider noch nicht genug gelehrt. Auch Du bist ganz und heil, es braucht nur Zeit und Stille, diese Kraft in Dir zu erwecken.
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